Politik und Erinnerung: Die Konferenz von Kairo 1943

Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Universität Wien

Freitag, 27. Oktober 2017
16:00 Aula am Campus, Eingang 1.11

In den gängigen Diskussionen über kollektive Erinnerung und kommunikatives Gedächtnis werden die individuellen Erinnerungen gerne als Repositorium höchst persönlicher Ansichten behandelt, die von der akademischen Historiographie und der politischen Sphäre weitgehend unbeeinflusst, in Familien ausgetauscht und vor dem Blick der Öffentlichkeit geschützt werden. Vieles spricht dafür, dass in der Tat der öffentliche Diskurs über Ereignisse in der Vergangenheit sich fundamental von den privaten Diskursen unterscheiden kann, doch wird zu selten thematisiert, inwiefern die Historiographie und insbesondere die offizielle Historiographie, die sich in Übereinstimmung mit den Zielen des jeweiligen Staates präsentiert, immer wieder Versuche unternimmt, in die Sphäre der individuellen Erinnerung einzudringen und dieser Narrative vorzuschlagen, in die sich individuelle Erinnerungen einordnen können.

In dem geplanten Vortrag soll das Verhältnis von Politik und Erinnerung am Beispiel der Diskussionen in der VR China und Taiwan über die Bedeutung der Konferenz von Kairo 1943 exemplifiziert werden. Die Konferenz von Kairo spielt im Kriegsgeschehen des 2. Weltkriegs eine große Rolle, insofern China als vierte alliierte Macht auf ihr volle Anerkennung fand. Tschiang Kaishek nahm als Vertreter der Republik China an ihr Teil, die so genannten „ungleichen Verträge“ wurden aufgehoben und die Aufteilung der Einflusssphären nach dem 2. Weltkrieg vorgenommen. Für heute besonders bedeutsam ist die Tatsache, dass die „Rückgabe“ Taiwans an die Republik China und die Unabhängigkeit Koreas beschlossen wurden. Darüber hinaus wurde die Frage der zukünftigen Zugehörigkeit der Liuqiu Inseln offen gelassen, ein Umstand, der den USA nach Ende des Krieges ermöglichte, Okinawa zu ihrem wichtigsten Militärstützpunkt in Ostasien auszubauen. In jüngster Zeit hat dies zu neuen Diskussionen Anlass gegeben, da die Diaoyu oder Senkaku Inseln zu den Liuqiu oder Ryukyu Inseln gezählt werden.

2013, zum 70. Jahrestag der Konferenz von Kairo, 2015, aus Anlass des 70. Jahrestages des Endes des 2. Weltkriegs, und 2017 im Zuge der Neuordnung des Geschichtsunterrichts auf Taiwan wurde im chinesischen Sprachraum die Bedeutung der so genannten Deklaration von Kairo in jeweils unterschiedlichen politischen Konstellationen diskutiert. Der Vortrag nutzt das Mittel der Diskursanalyse, um die verschiedenen Narrative in unterschiedlichen medialen Präsentationsformen vorzustellen und vor dem Hintergrund der augenblicklichen Lage in Ostasien politisch einzuordnen.

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